Freitag, 4. September 2009

Guernica in der Nationalhymne


Guernica noch heute, Nazismus heute und morgen
Bildquelle: Bundesarchiv/Wikipedia

Die Nationalhymne erhebt die Forderung nach einer Vaterland-Einigkeit, die "Glück" verheißt. Unter Wilhelm II und Hitler führte die militaristisch und diktatorisch unterlegte Vaterland-Einigkeit ohne Umwege ins Unglück. In der Weimarer Republik war sie, und in der BRD nach der Wiedervereinigung von West- und Mitteldeutschland, ohne Ost-Deutschland, ist die vaterländische Einigkeit insgeheim auf die Rückgewinnung verlorener Gebiete bezogen. Sie enthält daher, mit dem Text der ersten Strophe des Deutschlandliedes "Von der Maas bis ..." im Hintergrund, eine revisionistische Komponente, die nationalistische Rückeroberungs-Gewalt anlegt und Jugend verführt. Statt auf Verhandlungs-Optionen zu warten wird Gewalt-Phantasie gepflanzt.

Eine andere vaterländische Einigkeit gibt es nicht. Sie widerspräche Demokratie und Grundgesetz. Beispielsweise ist das Fieber, das Wir-Gefühl einer Nation, um das Endspiel einer Fußball-Weltmeisterschaft zu gewinnen, keine vaterländische Einigkeit, sondern einfach ein nationales Fußball-Fieber. Vaterländische Einigkeit gibt es bei existenziellen Bedrohungen des Landes. Da es eine solche originäre Bedrohung seit Napoleon nicht gab, bezog sich die Einigkeit stets auf Angriffs-Optionen gegen andere Länder.

Der Konsens einer demokratischen Verfassung oder bürgerlicher Gesetze stehen einer vaterländischen Einigkeit sogar im Wege, wie National-Parteien meinen. Jede hingestellte "vaterländische Einigkeit", bezogen auf ehemalige deutsche Gebiete, müsste mit demokratisch gefassten Beschlüssen und Staats-Verträgen brechen, um Gewaltlösungen zu ermöglichen. Wer rechte Internetseiten durchliest, muss erkennen, dass es theoretisch schon soweit gekommen ist.

Die Nationalhymne erhebt also eine Forderung und gibt ein Ver-sprechen. 1870/71 führte das Glücksversprechen zu einem Teilerfolg, einem Sieg über die Franzosen. Gleichzeitig wurde deutsche Überheblichkeit geboren. Der kolonialistische Nachholbedarf führte in Südwest-Afrika dann zu einem Abschlachten ansässiger Völker. Deutsches Herrschafts-Gebahren zeigte unter vaterländischer Einigkeit ihre ersten unmenschlichen Gesichtszüge.

Danach zeigte das völkerrechtswidrige Auslöschen der Kleinstadt Guernica, wozu kritiklose vaterländische Einigkeit fähig war. Das nationale Glück unter den Nationalsozialisten duldete keine Kritik. Die Machtdemonstration zu Übungszwecken am 26. April 1937 durch deutsche Kampfflugzeuge der Legion Condor, angeführt von Wolfram Freiherr von Richthofen, hinterließ Ruinen und eine ermordete Zivilbevölkerung. So sahen am Ende deutsche Städte selbst aus.

Erst der deutsche Widerstand, zuletzt mit Freiherr von Stauffenberg, brach mit der Einigkeit. Er müsse zum "Staatsfeind" werden, um Deutschland zu retten. "Das akzeptiere ich", sagte er.

Unterschwellige und unbelehrbare vaterländische Einigkeit führte nach 1945 zu einer beschämenden Verdrängung von Schuld und Verbrechen und löste einen Generations-Konflikt aus, den deutschen "Herbst". Die Nürnberger Kriegsverbrecher-Urteile wurden bis heute nicht anerkannt. Stattdessen kommt der Neonazismus hoch, der sich vaterländische Einigkeit wieder auf die Fahnen schreibt. Die scheinbar harmlose Bezeichnung in der Nationalhymne leitet Jugend direkt in das fatale Gedankengut hinein.

Mit keinem Wort begründet die Nationalhymne, warum Deutschland vielleicht eventuell liebenswert sein könnte, ob das Land kulturelle Werte besitzt oder ob sich irgendeine Form harmloser Heimatliebe lohnen würde. Darin unterscheidet sich die deutsche Nationalhymne von nahezu allen anderen anderer Völker rund um den Erdball.

Zum Singen dieser Nationalhymne, die von Helmut Kohl und Richard von Weizsäcker von oben herab diktiert wurde, können mich keine zehn Pferde bewegen. Bundespräsident Köhler will es anders: er bevorzugt neuerdings den 1000-Stimmen-Massen-Chor, so wie zur kürzlichen Einweihung der Leichtatletik-WM, um die nationale Gefühls-Duselei ohne Rücksicht auf den Text - oder gerade wegen des Textes - zu fördern. Ich denke: gerade wegen.

Die schöne Melodie, aus dem 1797 entstandenen österreichischen Kaiserlied von Joseph Haydn entlehnt, hätte einen anderen, unmiss-verständlicheren und besseren Text verdient, Deutschland einen anderen klügeren Präsidenten. Der jetzige Text als Rudiment des Deutschland-Liedes ist aus einem historischen Kontext gerissen und wurde deshalb reinster Kitsch mit nationalem Aggressions-Potential. Köhler und Neonazis lieben ihn und offenbar sich selbst, Deutschland wohl kaum.






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